PlanetenLandschaften erkennen
PLANETEN – LANDSCHAFTEN
IM ALLTAG ERKENNEN – Rolf Zingg
Sonntag: Im Sonnenland
herrscht Lebenskraft
Für
einmal sollen es Prinz und Prinzessin sein, die uns die magische Welt
näherbringen. Die Verliebten, PHILEMON und MARY ROSE, führen uns direkt in die Planetenlandschaften
hinein. Wir wählen für die Erzählung die
Vergangenheitsform (Präteritum).
ALSO:
Mary Rose und Philémon, unsere jungen Verliebten setzten sich auf eine sonnenbeschienene Bank und Philémon begann zu
referieren: "Die Sonne ist für uns alle das wichtigste Gestirn am Firmament.
Sie hält
die Erde auf der Bahn und versorgt tierisches und pflanzliches Leben mit den
nötigen Rohstoffen. Leben ohne Sonne ist kaum denkbar. Der Himmelskörper
versorgt uns mit Licht und Wärme, sorgt für Winde und beeinflusst das Wetter.
Das
Licht ernährt die Pflanzen und diese spenden uns Sauerstoff zum Atmen. Damit
sind alle Lebewesen direkt und indirekt von ihr abhängig. Die Sonne ist auch verantwortlich für den
Wassertransport auf unserem Planeten.
Mit
ihrer Lebenskraft ist sie der Antrieb für neues Leben, für Schöpfung, für
Entwicklung. Für Ausdauer. Sie überträgt auf uns Lebewesen ihre schöpferische
Kraft, die Phantasie, aber auch der Wille zur Leistung. Ihr Prinzip finden wir
in Pflanzen mit Durchhaltewillen und Vielfältigkeit der Erscheinung, in
Pflanzen mit geradlinigen Stängeln, sonnenartigen Blüten und in wärmenden
Pflanzen, wie dem Zimt. Von den Baumarten ist es die Esche, die das
Sonnenprinzip eindrücklich verkörpert.
„Zu den
Sonnenpflanzen würde ich also zum Beispiel Ingwer, die Walnuss, die
Sonnenblume, aber auch den Löwenzahn, das Johanniskraut und die Königskerze zählen können“, warf Mary
Rose ein.
„Ja,
aber die Pflanzen müssen nicht zwangsläufig gelb sein. Auch die Wegwarte, der
Natternkopf oder der Rosmarin gehören dazu“, erwiderte der Prinz.
„Interessant
wäre es in diesem Fall auch eine Sonnenlandschaft sich vorzustellen.“
„Und,
wie stellst du dir diese vor?“
"Sicher
müsste es dort hell und weit sein. Aber auch warm und fruchtbar. Von überall
her wären Vogelstimmen zu hören und die Menschen wären fröhlich und nett
zueinander".
Der
Prinz liebte Mary Roses leuchtende Augen, wenn sie ins Schwärmen kam.
„Es hätte im
Sonnenland viele majestätische, grosse, alte Bäume, nicht nur Eschen. Auch die
Flüsse wären würdevoll und gross, eher Ströme. Überall sähe man Sonnenblumenfelder,
soweit das Auge reicht.
Selbstverständlich
wären auch Burgen und Schlösser zu finden. Ein edles Land. Regiert auch von
einem edlen König. Von dir Philémon», schmeichelte die Prinzessin und blickte
ihn verliebt an.
«So,
genug für heute», machte der Prinz verlegen, gehen wir was Sonniges trinken.
«Ja, für mich einen Ingwer-Tee.»
Montag: Pastell im
jugendlichen Mondland
"Heute
werden wir träumen, Mary Rose. Wir beide werden das Mondland besuchen."
"Ist das weit?" fragte unsere
Prinzessin, die sich immer noch im weichen Bett räkelte.
"Du
weisst es ja selber: Alles geschieht im Kopf. Alles ist jetzt und alles ist
immer....
Und alles ist überall. Man muss es sich nur genau vorstellen. Gedanken sind
Wirklichkeiten."
Mary
Rose war begeistert von diesen Überlegungen und setzte sich jetzt aufrecht zur
Rechten von Philémon. Sie umfasste anhänglich seinen Arm und blickte
verführerisch neckisch von unten in seine braunen Augen. "Herr Professor,
ich bin ganz Ohr".
Der
Prinz musste schmunzeln und fuhr fort:
„Auch
der Mond hat Kräfte in Bezug auf unsere Erde und deren Bewohner, die nicht zu
leugnen sind. Er ist mitverantwortlich für die Stabilität der Erdachse,
verursacht die Gezeiten, beeinflusst viele körperliche, seelische und
psychische Prozesse... "
"Halt,
was soll ich mir darunter vorstellen?" fiel ihm Mary Rose ins Wort. "
Na ja, zum Beispiel den Zyklus der Frau, die Mondsucht oder die Geburtenrate
bei Vollmond."
" Alles klar, Herr Lehrer",
machte Mary Rose, die eigentlich schon wieder ganz andere Informationen von
ihrem Prinzen wollte.
Aber
diszipliniert folgte sie seinen weiteren Ausführungen.
"
Der Mond spielte eine wesentliche Rolle bei den Alchimisten der vergangenen
Jahrhunderte und war stellvertretend für ihr ' solve et coagula', das 'löse und
binde' mit dem sie dem Stein der Weisen, dem Allheilmittel Arcanum und der
Herstellung von Gold auf der Spur waren. Da der Mond und die Nacht
zusammengehören, waren ihm vor allem nachtblühende Pflanzen, Schlafförderer,
aber auch weissblühende und silbrigblättrige Kräuter und Bäume aĺlgemein
zugeordnet".
."Mir
kommen spontan die Kirsche, der Jasmin, das Mädesüss, die Holunderblüte und der
Schlafmohn in den Sinn", beteiligte sich die Prinzessin an der Erörterung.
"Du
bist eine kluge Frau", lobte der Prinz. "Wenn ich dir noch sage, dass
alles Pastellfarbene dazugehört, wie sehen dann die Mond- Landschaften in
deinen Augen aus? Aber Vorsicht wir sind nachher für den Rest des Tages Gäste
deiner Phantasie...".
"Ich
sehe überall frischblühende Kirschbäume.
Ein milder Frühlingswind schleicht sich durch die Blüten. Pastellfarbene Tulpen
blühen. Alles ist fröhlich, irgendwie jugendlich und unverbraucht. Ich blicke
auf Seen und Tümpel, eingehüllt in luftige Nebelfetzen. Die ganze Landschaft
ist voller natürlich verlaufender romantischer Bachläufe. Und der Mond glänzt
voll und hell über dem eingewachsenen, verzauberten kleinen Häuschen, in dem
wir uns beide lieben."
"So
soll es sein", entgegnete der Prinz und der Mond ging auf. Voll und hell.
Der Traum konnte beginnen. Und er begann und dauerte die ganze Nacht.
Dienstag: Marsland und
die Aggression
„Mary
Rose, Mary Rose, wach auf! Es ist Zeit
zum Aufstehen.“
„Was ist
los?“ fragte die Prinzessin und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Der
Prinz hielt ihr eine warme, nach frischen Kaffeebohnen duftende Tasse hin.
Heute werden wir gemeinsam eine ganz besondere Reise machen. Ich werde
dir Marsland zeigen. Und da wird es ganz schön heiss. Deshalb müssen wir
uns früh auf die Reise machen. Komm, zieh dich an. Wir müssen los.
Mary
Rose hasste es, etwas auf Zeit machen zu müssen. Sie war es gewohnt, die Dinge
mit ihrem eigenen Rhythmus anzugehen. Eine schöne Frau brauchte Zeit, um schön
zu bleiben. Das gleiche galt für eine kluge Frau. Aber um das Marsland zu
sehen? – Na ja, vielleicht lohnte sich ja die Eile…
Marsland
war das Land mit Tendenz zur roten Farbe. Es schien, wie wenn ein grosser
Schöpfer den Planeten in einen Farbkübel getunkt hätte.
Philémon
erklärte: "Jeder Planet hat seine schönen Seiten und jeder Planet hat
seine Schattenseiten. Mit den Eigenschaften, die zu den Planeten gehören, ist
das genauso. Auch hiervon gibt es eine günstige Ausprägung und eine übersteigerte,
kritische Form.
So gehört die vorwärtstreibende Kraft, das Mutige, Aktive zum Potenzial von
Mars. Genauso aber gehört die Aggressivität dazu, das Verletzende.
Dass die
Himmelskörper, die uns nahe sind, die Planeten, auch einen Einfluss auf das
Leben auf der Erde haben, wenn auch schwächer als Sonne und Mond, aber
wesentlich stärker als die Fixsterne, erkennst du an folgendem Vergleich:
Sieh dir diesen Apfel an. Stell dir nun einen Kern im Gehäuse drin vor. Das ist
die Sonne. Der Apfel ist das Sonnensystem mit all seinen Planeten."
"Also
nebst der Erde der Merkur, die Venus, der Mars, der Jupiter, der Saturn und die
neuen Planeten", ergänzte die Prinzessin.
"Genau
- und nun entferne dich 40 Schritte von mir." "Und was ist
jetzt?" rief Mary Rose aus der Ferne. "Jetzt stellst du dir zwischen
Daumen und Zeigfinger wieder einen Apfelkern vor. Das ist nun Alpha Centauri,
der absolut nächste Fixstern, eigentlich ein Doppelstern, für uns
Erdenbewohner."
" Das bedeutet ja, dass alle andern X-Millionen Sterne - die wir am
Firmament des Nachthimmels sehen können - noch viel, viel weiter weg
sind", warf Mary Rose ein.
"Eben,
und darum hat man die ganzen Kräfte, die auf die Himmelskörper im Apfel
drin wirken (um bei unserem Bild zu bleiben) den einzelnen Planeten nach ihren
Eigenschaften und Erscheinungsformen zugeordnet."
Und der
Prinz fuhr fort: „Der Mars hat nicht nur eine grosse Abweichung der
Planetenbahn vom Kreis. Er weist auch riesige Temperaturdifferenzen auf. Er
heizt sich quasi auf und gibt Hitze ab im Rhythmus. Wenn du jetzt diese
Landschaft um dich herum betrachtest, diese kantige, raue und heiße Gegend mit
den wilden Tieren, dort drüben die Gegend mit ihren Kakteen und Sukkulenten,
weiter hinten die Feuerplätze, aber auch die Wettkampf- und Sportstätten, was
würdest du sagen, welche Eigenschaften machen denn das marshafte
Wesen aus ?"
„Ich würde sagen, dass man ihm die Aktivität, Aggression , die innere Hitze,
das Streben nach Befriedigung zuordnet. Quasi das männliche Prinzip, welches gekoppelt
ist an Sexualität, Durchsetzungskraft und Leistungsfähigkeit.“
„Wow,
nicht schlecht!“ rief Philémon mit Bewunderung für die schnelle Auffassungs-
und Interpretationsgabe seiner Partnerin aus. „Und bei welchen Pflanzen siehst
du dieses Prinzip, wie du es nennst, verwirklicht?“
„Ich
denke, es sind aggressive und hitzige Pflanzen, wie Brombeere und Brennnessel,
aber auch solche, die nach Sperma duften, wie der Stinkasant.
Manche haben hautreizende Stoffe, wie das Schöllkraut oder bergen scharfe, beissende Substanzen. Ich denke da
an den Aronstab.
Sicher
sind solche Pflanzen auch
widerstandsfähig. Der Rettich könnte dazu gehören. Häufig treffen wir
Pflanzen von roter Farbe und möglicherweise sogar giftige. Der Seidelbast würde
beiden Kriterien entsprechen.“
„Dem
kann ich nichts mehr beifügen“, gab sich der Prinz geschlagen.
Mittwoch: Merkur, der Quirlige
“Der sonnennächste, schnellste und kleinste Planet ist nur schwer zu
beobachten. Er ist flink und ein Einzelgänger ohne Monde. Er verkörpert die
bewegliche Energie, die Weichheit, den Rhythmus. Er ist zuständig für die
geistige, seelische und körperliche Beweglichkeit.
Der Merkur ist es, der uns Flexibilität vormacht und zeigt, was es heisst,
immer wieder einen neuen Standpunkt einzunehmen. Er ist es, der verhärtetes,
stures Denken in bewegliches umwandelt. Quirlig, lebendig und kontaktfreudig
ist er.
Im Merkurland leben wahrscheinlich die flexibelsten Wesen, die man sich
vorstellen kann.
Der Götterbote Merkur, bei den Griechen hiess er Hermes, war deshalb der Gott
der Händler und Diebe, wahrscheinlich auch der Vögel und all der Schmetterlinge
und Käfer, die uns erfreuen”.
Mary Rose fuhr senkrecht in die Höhe. “Also für mich ist die Sache eindeutig.
Da sind
einerseits lebendige, quirlige Städte mit Einkaufsstrassen und Marktplätzen.
Auf der andern Seite sind es Gegenden, die besonders abwechslungsreich sind.
Wie etwa ein munterer Wasserlauf, der über Steine plätschert und allen Tieren,
Blumen und Bäumen ringsum scheinbar aufgeregt alle Neuigkeiten von unterwegs
mitteilt. Auch Wege, die die Landschaft allein durch ihre Form vorschlägt, wie
etwa ein natürlicher Einschnitt in einen Höhenzug, unterstehen Merkur. Treffen
mehrere Wege in einer Kreuzung aufeinander, ruft der Platz direkt nach einer
Ansiedlung. Es ist ein besonders günstiger Merkurplatz, eine Möglichkeit
Geschäfte zu machen, Handel zu treiben und Kontakte zu schliessen.”
“Sehe
ich genauso”, bestätigte der Prinz und Mary Rose ergänzte: “Die Pflanzen, die
Merkur unterstellt sind, haben kleine Blüten, haben eine schlanke Gestalt, sind
beweglich. Vielleicht haben sie gefiederte Blätter und einen flüchtigen Geruch.
Die Pflanzen aktivieren in uns Menschen verschiedene Funktionen, zum
Beispiel den Stoffwechsel. Ich gebe dir einige Beispiele, die du dann
zuordnen kannst - wenn du willst”, foppte Mary Rose.
“Baldrian,
Gundermann, Fenchel, Petersilie, Hafer, Ulme“. Bei jedem Wort, welches sie
durchs Band deutlich und langsam aussprach, blickte sie ihrem Prinzen fest in
die Augen.
Donnerstag: Jupiterland
- Schlaraffenland
„Jupiter
ist der grösste und schwerste Planet in unserem Planetensystem. Er hat viel
Ähnlichkeit mit der Sonne. Er sammelt Monde um sich und strahlt eine ungeheure
Energie aus. Deshalb steht er auch für Einflussnahme, Ausgleich und
Bindungskraft. Das spürst du auch bei einem solchen Kraftstein. Und Philémon
entnahm seinem Hosensack eine rund geschliffene Holzscheibe, die mit mehreren
Kreisen verziert war. Mit einem Lederband konnte er sie um Mary Roses Hals
hängen.
Wenn du
diesen Kraftstein auf deine Stirn zwischen die Augen drückst, spürst du die
Kraft Jupiters: Er vermittelt ausgleichende Wärme, ein grosszügiges Denken -
ausgeglichen, ruhig - und schenkt dir einen klaren Kopf.
Tatsächlich,
der Stein schuf fast augenblicklich Ordnung in ihrem Innern, nach den
turbulenten Ereignissen der vergangenen Tage.
„Er ist
aus Ahornholz, in welchem man dieselben Eigenschaften findet, die dem Planeten
Jupiter zugeordnet werden“.
„Sind
die Kräfte der anderen Planeten denn auch in Bäumen zu finden“? wollte Mary
Rose wissen. „Aber sicher: die Sonne in der Esche, der Mond in der Kirsche, der
Mars in der Eiche, der Merkur in der Ulme, die Venus in der Birke und der
Saturn in der Buche. Interessant ist vor allem der Umstand, dass sie uns
deutlich zeigen, dass von jeder Wahrheit auch das Gegenteil wahr ist, wie wir
es vor zwei Tagen diskutiert hatten.
So gibt
dein Ahornstein warme oder kalte Hände, je nach Situation – und er kann auch
ganz schön Verwirrung im Kopf anstellen. Ja, man muss achtsam mit seinen
Schätzen umgehen...
Jupiter
steht auch für Grosszügigkeit, Wohlwollen und Menschenfreundlichkeit. Als
oberster Gott der Römer kann er sich das schliesslich auch leisten“, schloss
der Prinz.
„ Dann
wären Jupitergegenden, Gegenden, die einen grossen Weitblick erlauben, aber
auch Regierungsgebäude, grosszügige Landschaftsstiftungen, riesige
Obstplantagen, allgemein Kulturen mit Früchten, die in grosser Zahl zu finden
sind, vielleicht auch exotische Anlagen, Pferdegestüte.
Bei den
Pflanzen würde ich auf solche mit Holzprinzip setzen, mit festen, harten
Stängeln und herrschaftlicher Gestalt, vielleicht mit Speicherwurzeln. Eine
ausgeprägte Blattbildung wäre meines Erachtens auch angebracht.
Und Früchte, viele essbare Früchte, Nüsse, nahrhafte Pflanzen. Was meinst du?“
„Ja,
meine Jardinière du Roi. Wie ich dich kenne hast du auch gleich ein paar
Beispiele am Lager?“
„ Der
Apfelbaum wäre für mich der typische Vertreter für Jupiterland, aber eben auch
der Ahorn oder die Kastanie. Bei den Kräutern denke ich an die Engelwurz, den
Rainfarn, die Nelke, den Odermennig und den Löwenzahn, ja halt an alle
grosszügigen Pflanzen“.
„Let’s
go - dann tauchen wir ein in die von dir beschriebene Welt.“
Ein warmer Luftzug umhüllte sie – und sie
fanden sich wieder im Schlaraffenland.
Die
beiden wurden empfangen und bewirtet, wie das Königspaar persönlich. Ihre
Wünsche wurden ihnen direkt von den Lippen abgelesen. Und all ihre Träume
wurden erfüllt. Es mangelte ihnen an nichts und sie wurden hoch geschätzt und
geachtet.
Satt und
glücklich fielen sie in ihre Betten und sie schliefen tief und fest und
träumten den grosszügigen Jupitertraum.
Freitag: Lieblichstes Venusland
Noch
schöner als Jupiterland war Venusland.
Eine
hügelige Landschaft war auch hier eine Art Vorgabe. Aber welch ein Blumenmeer
war auf den Wiesen anzutreffen. Alle Farben, die die Erde jemals sah.
Dazwischen in allen Grün- und Brauntönen Gebüsche und Wäldchen.
Eine
liebliche Gegend, die einem das Herz aufgehen liess. Nichts Eckiges, Störendes
oder Giftiges war hier zu finden. Sanft, freundlich, harmonisch – so wirkte
Venus auf‘s Gemüt. Wenn man mit den Augen oder auch mit den Händen die weich
gerundeten Formen nachzog, war es – wie ein Tanz.
Ja, Prinzessin Mary Rose musste einfach tanzen und all die Insekten, die
Schmetterlinge und Käfer, die Bienen und Libellen summten ihr Lied und brummten
ihren Takt dazu. Mary Rose riss ihren Prinzen mit und sie sprangen beide und
hüpften und lachten und sangen über die grünen Weiden und über die
Blumenfelder. Eine unbändige Freude liess ihre Herzen beinahe zerspringen.
Helligkeit,
Leichtigkeit, Licht, Glück, Genuss, Friede das waren die Worte, die die Sprache
für diese grossen Momente bot, die sie gemeinsam erleben durften. Aber auch
Liebe, Erotik und Sinnlichkeit gehörten dazu. So schön konnte Leben sein.
Die
ganze Gegend wurde in Klang gehüllt und die Lieder der Kindheit und der Jugend
suchten sich ihren Platz in ihrem Gemüt. Orchesterklänge und Harmonien in nie
gekannter Zusammensetzung flatterten luftig durch die Athmosphäre. Und die Welt
wurde in Duft gehüllt. Jede Pflanze, jede Blüte, jedes Blatt lieferte die
Moleküle für ein Parfüm, das die Welt neu erfand.
Und
alles schmeckte nach mehr. Jedes Gras und jede Blume und jeder Kuss, den die
beiden einander schenkten. Die Zärtlichkeiten, die sie einander gaben, waren
wie ein Wellenspiel, warm und weich, liebevoll und innig - ein Innen und ein Aussen, ein Jetzt und ein
Ewig.
Immer
wieder legten sie sich erschöpft nieder in die Wiesen oder unter die Bäume. Sie
tuschelten und turtelten, flirteten, neckten und tollten sich wie Kinder. Und
doch gab es auch eine Zeit für ernsthafte Gespräche.
Dabei
kamen sie auf die Liebe zu sprechen und erinnerten sich gut an ihre gemeinsame
Erkenntnis, dass diese nicht nur aus „körperlicher Anziehung“, sondern auch aus
einer seelischen Dimension bestehe, die sie „Ebene des Austauschs“ nannten.
Diese setzte das echte Interesse am Wesen des andern voraus und den Wille
Informationen von sich herzugeben.
Im
innigen Gespräch stellten die beiden nun fest, dass noch eine Ebene fehlte.
Eine geistige Komponente fehlte, eine „Ebene der Verantwortung“ gegenüber sich
selber, dem andern und der Gesellschaft, in der man sich bewegte. Man setzt
sich intellektuell mit seinem Gegenüber auseinander und steht zum andern, ja
verteidigt selbst seine Marotten.
Nur mit
diesem Dreiergespann ist eine Liebe würdig, so genannt zu werden. Damit aber
genug der Theorie, die im besten Fall über einen längeren Zeitraum hinweg zur
Praxis würde. Es gab noch so viel zu sehen und zu erleben in Venusland.
Und
schwupps war unser Paar wieder entschwunden auf die nächste Party im Garten der
Freude.
Samstag: Saturnland – Die Konzentration auf das
Wesentliche
“Wir werden heute zum Abschluss unserer Reise durch die Planetenlandschaften gemeinsam Saturnland besuchen”.
Mary
Rose sah ihm in die Augen. Und er hatte das Gefühl, sie erwarte irgendwie ein
Juwel als Höhepunkt ihres Abenteuers.
“Saturn
ist der Planet der Wahrheit und der Würde. Ganz anders als die Jubel- und
Trubelplaneten der vergangenen Tage. Damit du den Wechsel ins Reich dieses
Schattenplaneten nicht als schockierend empfindest und du diesen
ehrlichen Planeten schätzen kannst und willst, werde ich dir für einmal die
Augen verbinden. Ich werde dich führen, um dir alles zuerst vor deinem
geistigen Auge zeigen.
Wenn du dann dein OK gibst, dann löse ich dir die Binde und du kannst
vergleichen. Bist du einverstanden?”
Mary Rose nickte.
Er klaubte ein schwarzes, breites Stirnband hervor und legte es der Prinzessin
sorgfältig um die Augen. Dabei achtete er darauf, dass ja kein Licht durch
irgendeinen Spalt eindringen konnte.
“Es geht los”, flüsterte er ihr ins Ohr, und die beiden durchschritten die
Pforte nach Saturnland.
Philémon begann zu schildern: “Karge, felsige Gegenden, Hochgebirge und auch
Wüsten werden Saturn zugeordnet. Wo Saturn herrscht, da ist nichts. Der nackte Fels
- Vorsicht Stufe - harter Boden, auf dem nichts wächst, das Leben scheint
erloschen, oft sind nur in minimalster Form noch Zeichen davon zu finden, als dürre
Grashalme oder vereinzelte Insekten.”
Der Prinz steuerte die Prinzessin liebevoll und mit viel Geschick an den
Hindernissen vorbei.
„Trostlos, so empfinden manche Menschen diese kahlen, leeren Landstriche.
Anderen wiederum bestaunen die Großartigkeit, das Machtvolle. Sie finden gerade
auf einem Berg oder inmitten einer Wüste zu sich selbst, fühlen sich dort näher
bei sich und näher bei ihrem Schöpfer. Eben weil sie nicht abgelenkt werden.
Keine Blumenpracht als Wohltat für die Augen, kein Vogelgezwitscher, kein
Säuseln von Blättern im Wind als Genuss für die Ohren. Einfach nichts. Alles nur
auf das Notwendigste beschränkt.
Saturn hat die Einschränkung und Genügsamkeit quasi erfunden. Er hilft uns bei
der Konzentration auf das Wesentliche. Wo wäre das besser möglich als in einer
Umgebung, die nicht ablenkt? Die Ruhe vermittelt und uns auf uns selbst
zurückwirft?
Da ist nichts mehr, das beschönigt, kein Schmuck, kein Weichzeichner. Klar und
unbestechlich liegen die Formen bloß. Geradezu trocken. Auch die Formen der Seele, die Gedankenformen,
die Gefühle. Alles ist eindeutig, alles klar, alles ist Ehrlichkeit pur.
Es gibt kein Ausweichen.
Es ist eine Auseinandersetzung, die zuerst hart wirkt, dann aber als reinigend
und schließlich als höchst befreiend empfunden wird.”
“Mich
friert es hier in Saturnland”, sagte Mary Rose leise.
“Das empfinden viele Leute so”, entgegnete Philémon, der ihr eine Jacke
überstreifte, “Saturn ist der, von der Sonne am weitesten entfernte, alte
Planet. Uranus und Neptun, auch Pluto, der Kleinplanet, wurden erst spät mit
Hilfe von Teleskopen entdeckt und spielten in der Astrologie immer eine
untergeordnete Rolle.
Saturn war für die berühmten Astrologen, die nebenher noch Astronomen waren,
immer der kälteste, der dunkelste, der langsamste, für viele auch der älteste, der
steifste, der melancholischste Planet, der Greis, dafür aber auch der
erfahrenste, der weiseste, der beruhigendste.
Lass uns ein wenig auf dieser Bank hier sitzen”, schlug Philémon vor.
Die beiden setzten sich und der Prinz legte zärtlich seinen Arm um Mary Rose.
“Das gibt mir am wärmsten”, machte die Prinzessin und ein Lächeln huschte scheu
über ihre Lippen. Philémon war dankbar dafür.
Sie sassen lange so da, bis Mary Rose einen tiefen Atemzug tat und ihrerseits
die Stille durchbrach.
„Ich
denke aber doch, dass gewisse Pflanzen dieser Vorgabe, die du geschildert
hast, entsprechen würden. Es handelte
sich möglicherweise um Giftpflanzen, um dunkle, farblose oder violette und
braune, vielleicht gar immergrüne Pflanzen. Vielleicht auf dem Weg zur
Verholzung.
Ja, eigentlich entsprächen ganz allgemein die Samen aller Pflanzen dieser
Ausgeglühtheit, dieser Konzentration auf das Wesentliche.
Und ich denke, es wären auch langlebige Pflanzen, Fossilien, Nacktblüher,
Schattenpflanzen oder Pflanzen mit unnatürlichen Rhythmen in dieser Auswahl mit
dabei.“
„Und
konkret, an welche Pflanzen denkst du da?“ wollte Philémon wissen.
„Um ein
paar Beispiele zu nennen: Tollkirsche, Efeu, Bilsenkraut, Mutterkorn, Thuja,
Tanne und Buche“.
„So ist es genau“ jubelte Philémon und er
löste das Band um die Augen der Prinzessin. Nachdem sich Mary Rose ans Licht
gewöhnt hatte, war es offensichtlich: Sie sassen auf einer Bank inmitten eines
Tannen – Buchenwaldes. Einzelne Eiben und Kiefern standen mit in der Runde.
Überall waren Farne zu finden und an manchen Bäumen kletterten Efeuranken hoch.
Die Bella Donna grüsste vom Waldrand her.
„Ich bin
immer wieder überrascht, mit welcher Lockerheit du die theoretischen Vorgaben
in die Praxis übertragen kannst. Immer findest du genau die richtigen Pflanzen,
die man als Zeigerpflanzen für das entsprechende Planetenland brauchen könnte.
Ja, Mary Rose, du hast wirklich Talent. Ein weiteres Mal bin ich unendlich
stolz auf dich.“
Und die
beiden küssten sich gar nicht konzentriert auf das Wesentliche.
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